Donnerstag, 29. November 2012

Spontantrip nach Rwanda



Am vergangenen Mittwoch fragte mich Alice, ob ich nicht am Freitag mit ihr nach Rwanda kommen möchte – sie müsse sowieso dorthin, um ihr Visa zu erneuern und würde deshalb die Kosten für Auto und Fahrer übernehmen. Da wäre ich doch doof gewesen, wäre ich nicht mitgekommen!

Tag 1 – Freitag der 23. November


Die Autofahrt war lang, aber eindrucksreich. Um 11 Uhr ging es los, gewappnet mit Unmengen an Essen (Nick hat uns ein wenig Schokolade mitgegeben, Alice hat für Pingels gesorgt und ich habe am Abend zuvor noch Candied G-Nuts zubereitet). Zunächst einmal ging es durch die schon viel zu bekannte Landschaft des Queen Elizabeth Nationalsparks und durch Berge bis nach Isahaka, ab dort wurde es dann interessant, weil wir die altbekannte Route verließen und nicht weiter in Richtung Mbarara fuhren, sondern in Richtung Norden abbogen – eine Abkürzung, die diesen Namen auf Grund der Straßenqualität auch echt verdient! Das Landschaftsbild änderte sich ständig: in manchen Gebieten erinnert mich Uganda absurderweise an Schweden – man müsste nur die Matooke- und Eukalyptusbäume durch Nadelbäume austauschen und die Lehmhütten  durch rote Holzhütten. Beim Weiterfahren kamen wir dann aber auf einmal durch wahnsinnige Mengen an Papyrus und noch weiter nördlich ist die Landschaft immer weniger landwirtschaftlich geprägt, die Spitzen der Berge sind leer und kahl, es wird lediglich vereinzelt Matooke angebaut und ziemlich viele Kühe spazieren durch die Gegend. Mir erschien es immer westlicher; man sieht mehr hübsche Häuser und mehr EU-gesponserte Schulen. Schon alleine durch die andere Landschaft setzte also das Gefühl von Urlaub ein und wir fuhren grinsend weiter. Gegen vier Uhr nachmittags kamen wir in Kabale an, eine Stadt sehr nah der Grenze, und gönnten uns dort nach circa 5 ½ Stunden Fahrt unsere erste Pause – versüßt mit einem Passionfruit Juice. Nach einer weiteren halben Stunde erreichten wir die Grenze, Alice und ich kamen ziemlich schnell rüber (zwei Stempel in unseren Reisepässen reicher), jedoch mussten wir recht lange auf William (unseren Fahrer) warten, der nicht nur sich selbst, sondern auch das Auto über die Grenze bugsieren musste. 



Papyrus-Massen


Folgende Sachen sind mir auf dem Weg nach Kigali aufgefallen: die Felder sind viel systematischer und geplanter angelegt, die Straßen sind super gut, die Boda-Fahrer tragen Helme und nehmen maximal eine Person auf ihren Bodas mit, die Leute kleiden sich westlicher als in Kampala, die Rush-Hour ist in Kigali genauso schlimm wie in Kampala (innerhalb von einer Stunde ganze 50 Meter weitergekommen!). 

In Kigali haben wir uns nachts gefühlt, als wären wir in einer europäischen Stadt, an manchen Stellen ist es sogar schicker als jede europäische Stadt die ich kenne! Nach 2 ½ Stunden Rumgurken in Kigali haben wir es so gegen 10 dann aber endlich in unser Hostel geschafft, dem „Discover Rwanda Youth Hostel“. Danach waren wir noch nebenan lecker chinesisch essen und waren begeistert von der Freundlichkeit der Leute, die Bedienungen behandeln einen wirklich zuvorkommend, das habe ich in Uganda noch nie so extrem erlebt. Jedoch ist alles sehr viel teurer als in Uganda und das Französisch würde mich irgendwann doch auch sehr nerven.    

Um 11 sind wir endlich supermüde und vollgestopft mit Essen ins Bett gefallen und waren gespannt darauf, wie Kigali wohl im Tageslicht aussehen würde!

Tag 2 – Samstag der 24. November


Unseren Samstag wollten wir eigentlich früh starten, um möglichst viel von Kigali zu sehen, jedoch haben wir unsere Rechnung ohne die Ruander gemacht, die immer am letzten Samstag im Monat den Umuganda-Tag haben. Umuganda ist ein Gemeinschaftstag, an dem alle von 7 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags gemeinnützige Arbeit erledigen, weshalb dann alle Museen, Geschäfte, Restaurants,… geschlossen sind. Eingeführt wurde der Umuganda-Tag übrigens nach dem Genozid, um die Menschen wieder zusammenzubringen.

Anstatt also sofort zum Kigali Memorial Centre zu fahren, haben wir uns für den Vormittag und Mittag in das berühmte Hotel des Mille Collines begeben, dort im Pool geschwommen und sehr lecker zu Mittag gegessen. Hier kurz die Geschichte zu dem Hotel: 


„Das Hôtel des Mille Collines ist ein großes Hotel in Kigali, das während des Völkermords in Ruanda 1994 mehr als tausend Menschen Zuflucht und damit die Rettung vor dem sicheren Tod bot.
Die Geschichte des Hotels und seines damaligen Managers Paul Rusesabagina wird in dem Film „Hotel Ruanda“ erzählt.
Die belgische Fluggesellschaft Sabena, der das Hotel damals gehörte, flog den europäischen Manager des Hotels aus und setzte Rusesabagina, den damaligen Manager des kleineren Hôtel des Diplomates als neuen Manager ein. Gemeinsam mit seiner Frau gelang es ihm, mittels Geld und Ausschank von Alkohol die völkermordenden Hutu-Interahamwe Milizen immer wieder davon abzuhalten, die Bewohner des Hotels zu ermorden. Außerdem gelang es ihm, die Bewohner mit Wasser – das man dem hoteleigenen Schwimmbecken entnahm, bis es leer war – und mit Lebensmitteln zu versorgen.“


Der Pool des Hotel des Mille Collines (und Teile Kigalis)



Den Nachmittag haben wir komplett im Kigali Memorial Centre verbracht, das sich mit dem Genozid beschäftigt. Ich denke, dass die meisten von euch mit diesem Thema vertraut sind, dennoch hier eine Zusammenfassung der Geschehnisse (auch wenn es mir sehr schwer fällt, diese kurz zu fassen): 

Der Völkermord in Ruanda begann am 6. April 1994 und endete im Juli des gleichen Jahres. In dieser kurzen Zeit wurden Schätzungen nach zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen umgebracht. Die Vorgeschichte zu diesem Morden ist lang und kompliziert und beginnt in der Kolonialzeit, in der zunächst die Deutschen und dann die Belgier die Ruander in Hutu, Tutsi und Twa kategorisierten. Diese unterschiedlichen Clan-Bezeichnungen hatten zwar auch schon zuvor bestanden, jedoch waren sie recht locker auslegbar und sagten nicht besonders viel aus, außer darüber, welchen Beruf man ausübte. Die Kolonialmächte ordneten dann aber jede Person klar einer Gruppe zu (mehr als 10 Kühe: Tutsi, weniger als 10 Kühe: Hutu) und trugen dies auch in die Personalausweise ein. Die nächsten Jahre waren durch immer mehr politische Spannungen geprägt. Die Kolonialmächte hatten zunächst den Tutsi die politischen Ämter übertragen, 1959 kam es dann jedoch zu Massakern und 1961 kam schließlich Grégoire Kayibanda als Mitglied einer Hutu-Partei an die Macht. Immer mehr Tutsi flohen aus dem Land, immer mehr Propaganda gegen die Tutsi wurde verbreitet. Diese unterschwellige Aggressivität gegenüber den Tutsi hielt an, bis am 6. April das Flugzeug mit dem Präsidenten abgeschossen wurde – das war der Auslöser zum Morden. Die internationale Gemeinschaft griff kaum bzw. gar nicht ein, der Begriff „Genozid“ wurde auf internationalen Debatten nicht verwendet, weil das die UN zum Eingreifen verpflichtet hätte. Insgesamt wurden etwa 75 % der Tutsi umgebracht. Letztendlich wurde der Völkermord durch die RPF (Rwandan Patriotic Front) beendet.

Der Besuch des Museums war auf jeden Fall interessant und lohnenswert, wenn auch bedrückend. Zwar habe ich nicht wirklich neue Informationen erhalten, da ich bereits eine Facharbeit über das Thema geschrieben habe und demnach auch Bücher gelesen habe, jedoch hat das ganze jetzt Gesichter bekommen. Es werden viele Einzelschicksale aufgegriffen, sowohl von kleinen Helden, als auch von Leidtragenden. Außerdem gibt es viele (schockierende) Fotos zu sehen und so traurig das ist, aber ich habe das Gefühl, dass unsere Generation, die ja ständig und von klein auf schlimme Bilder im Fernsehen oder Internet gesehen hat, oft solche Fotos braucht, um das Ausmaß und die Grausamkeit überhaupt zu realisieren. 

Massengräber beim Kigali Memorial Centre

Das perfekte Reiseteam vor der Skyline des Zentrums Kigalis


Das Thema halbwegs verdaut haben wir dann bei einem Bier und äthiopischem Essen und noch viel darüber diskutiert, bevor wir uns am späteren Abend dann zu einer Party meiner in Kigali positionierten artefact-Mitfreiwilligen begeben haben.


Tag 3 – Sonntag der 25. November


Am Vormittag haben wir zwei Genozid-Gedenkstätten besucht, beides Kirchen mit einer ähnlichen Geschichte. In beiden Kirchen haben Tutsi in Scharen Zuflucht  gesucht, in dem Glauben, dass die Hutu sie an einem solchen Ort nicht angreifen würden; in beide Kirchen haben die Hutu Bomben geworfen und jeden Überlebenden mit Macheten getötet. In der Ntarama Church wurden etwa 500 Menschen getötet, in der Nyamata Church etwa 2.500. In beiden Kirchen sind viele der Knochen und Schädel, sowie die Klamotten, die von den Menschen getragen wurden, ausgestellt. In den Schädeln stecken vereinzelt noch die Waffen, in vielen sieht man die Schnitte der Macheten. In der Nyamata Church sieht man selbst an der Decke noch Blutspritzer. Am schlimmsten fand ich jedoch in beiden Kirchen jeweils eine Wand, die voll vom getrockneten Blut war; die Kinder/Babys wurden getötet, indem sie immer wieder dagegen geschmettert wurden. 

Die Ntarama Church


Nach dieser „leichten Vormittagsunterhaltung“ haben wir uns dann auf den Rückweg nach Uganda gemacht. Ursprünglich hatten wir geplant die restliche Zeit am Lake Kivu zu verbringen, jedoch schien uns das auf Grund der Rebellen im Kongo, die dem Lake Kivu sehr nahe sind, doch ein bisschen gefährlich. Also haben wir beschlossen, stattdessen an den Lake Bunyonyi zu fahren.
Einige Autofahrstunden und eine erneut erfolgreiche Grenzüberquerung später sind wir um 5 Uhr nachmittags am Lake Bunyonyi angekommen. Da wir uns jedoch im „Byoona Amagara Island Retreat“ eingemietet hatten und diese Anlage auf der Insel Itambira Island liegt, hatten wir noch eine Stunde Kanufahrt vor uns, was aber wirklich ein Geschenk war, da die Landschaft mehr als nur wunderschön ist! Der See ist gespickt von insgesamt 29 Inseln, manche kleiner, manche etwas größer, zum Teil sogar mit Schulen und Kirchen, das alles umsäumt von zahlreichen Bergen. Die Kanus schnitzen die dort lebenden Ugander aus Eukalyptus-Stämmen, wofür sie circa eine Woche brauchen; halten tut so ein Kanu dann aber auch gute 7-8 Jahre!
Geschlafen haben wir in einem Geodome – eine Art Rundhütte, die nach vorne offen und nicht schließbar ist, wodurch man vom Bett aus einen herrlichen Ausblick auf den See hat.

Tag 4 – Montag der 26. November


Fast lohnt es sich nicht, über diesen Tag einen eigenen Abschnitt zu schreiben, aber die Ordnung verlangt es wohl so. Getan haben wir am Montag: nichts. Während wir am Vormittag in der Sonne lagen, gelesen haben und uns dachten, dass wir den Nachmittag für alle möglichen Aktivitäten nutzen, lasen wir am Nachmittag in unserem Hüttchen, hörten den Regen auf das Dach prasseln und dachten uns, dass wir doch lieber den Vormittag für alle möglichen Aktivitäten hätten nutzen sollen. Wir haben jedoch nicht nur gelesen, sondern auch extrem viel gegessen, da Byoona Amagara wirklich herrliche (westliche) Speisen anbietet! In den Nächten wurde es übrigens wirklich kalt! 3 Wolldecken und lange Kleidung, das wäre in Kasese wirklich undenkbar!

Ausblick von unserer Hütte


Tag 5 – Dienstag der 27. November


Am Dienstag haben wir aus unserem Fehler des Vortrages gelernt und waren morgens gleich nach dem Aufstehen Kanu fahren, obwohl wir kläglich versagten und nur im Kreis paddelten. Unter Einheimischen ist der See für die Muzungus, die sich im Kanu im Kreis drehen bekannt; so konnten wir uns sicher sein, dass wenigstens unsere Zuschauer Spaß hatten, auch wenn wir schon nach einer knappen Stunde aufgaben. Danach sind wir (nach einem kleinen Frühstück) im See schwimmen gegangen, der zwar recht schmutzig, dafür aber Bilharziose-frei und angenehm kühl ist. Gerade als wir aus dem Wasser kamen fing es wieder an zu regnen, hielt an diesem Tag jedoch nur für kurze Zeit an, sodass wir am Nachmittag noch eine kleine Wanderung unternehmen konnten. Und auch das Essen war an diesem Tag genauso herrlich wie am Montag:) Zum Abschluss unserer Reise haben wir uns am Abend dann den teuren Luxus einer Flasche Rotwein erlaubt und ein letztes Mal den abendlichen Blick über den See genossen. 

Unser süßes Hüttchen :)


Tag 6 – Mittwoch der 28. November


Tag der Rückfahrt. Schon traurig, hatten wir doch wirklich eine feine Zeit zusammen! Aber alles hat wohl sein Ende, also haben wir uns Pfannkuchen zum Frühstück gegönnt und sind dann (erneut mit dem Kanu) zum Bootsanleger zurückgefahren, wo William schon auf uns gewartet hat. Dann habe ich festgestellt, dass ich das erste Mal beraubt wurde, was mich sehr geärgert hat. Zwar handelte es sich dabei nur um eine Tupper-Dose, die ich im Auto liegengelassen habe und die von einem Autoputzer „mitgenommen“ wurde, jedoch ging es mir eher ums Prinzip (und darum, dass man in Uganda nur Schrott-Dosen kaufen kann), weshalb ich dann darauf bestanden habe, den Mann aufzusuchen. Der hat sie mir natürlich nicht wiedergebeben – angeblich hielt er sie für Müll und hat sie weggeworfen, was ziemlicher Quatsch ist, weil sie noch zur Hälfte mit G-Nuts gefüllt war. Aber naja, besser eine Dose, als meine Kamera ;)
Ansonsten verlief die Rückfahrt recht ruhig, wenn auch regnerisch und dadurch matschig. Um halb6 war ich dann wieder zu Hause und wurde mal wieder von einer kleinen Pfütze in meinem Wohn-/Esszimmer begrüßt, was regelmäßig der Fall ist, wenn es etwas stärker regnet. Trotzdem: Es ist immer wieder schön, „nach Hause“ zu kommen! :)