Am 31. Mai ging es nach monatelangem Vorbereiten, Trainieren
und Däumchen drehen endlich los. Vor uns, Jourdan, Nick, Rehema und mir, stand
eine Achttageswanderung auf die höchste Bergspitze des Rwenzori-Gebirges. Unsere
Gruppe hätte wohl kaum eine interessantere Zusammenstellung sein können. Ein
kettenrauchender 50-jähriger Südafrikaner; eine Uganderin, dessen Sportliebe
nicht besonders ausgeprägt ist, dessen Willensstärke aber umso beeindruckender
ist; eine Amerikanerin, die schon bei Temperaturen unter 20°C zu frieren
anfängt und eine Deutsche, die pro Nacht 9 Stunden Schlaf braucht und jeden Tag
eigentlich eine heiße Dusche benötigt.
Sichtlich angespannt, aber auch voller Vorfreude, gemischt
mit der Erkenntnis, dass es nun sowieso zu spät ist, um sich noch besser
vorzubereiten, war die Stimmung im Auto, als Nick mich um 7 Uhr morgens bei
leichtem Nieselregen abholte. Wir sind dann über Hinterwege erstaunlich nahe an
den Backpackers in Kilembe rangekommen, von wo aus die Wanderung losgehen
sollte. Wir sind ein paar der zusammengebrochen Brücken umfahren, haben die
letzte noch stehende Brücke benutzt und sind dann schließlich die letzten 1-2
km noch gelaufen. Nick – zu beschäftigt mit einem letzten geschäftlichen
Telefonat, um aufzupassen, wo wir hingehen –hat sich auf dieser Strecke gleich
verlaufen; mir unerklärlich, wenn man bedenkt, dass die Straße einfach nur
geradeaus führt und keine Abzweigungen hat. Nachdem er es dann aber auch
irgendwann zum Backpackers geschafft hat, konnten wir da die letzten
Formalitäten erledigen, uns von den ganzen aufgeführten Risiken beängstigen
lassen und unsere Guides kennenlernen. Der Regen hörte glücklicherweise auf und
pünktlich um 9.02 Uhr ging es los. Nach anfänglichen Problemchen, wie Jourdans
Schuhwechsel nach fünf Minuten und Rehemas Angst vor Schweinen, die den Weg
versperrten, erreichten wir um 10 Uhr den Eingang zum Nationalpark auf 1.753 m.
Die Strecke bis dorthin ist zwar schön, allerdings mir schon sehr bekannt, da
unzählige Male bewandert. IN den Nationalpark hatte ich es davor allerdings
noch nie geschafft und somit warteten wir ungeduldig auf Nick, der eine halbe
Stunde nach uns ankam. Um 11 ging es weiter, die ganze Zeit in unmittelbarer
Nähe zu dem Fluss, der für das Hochwasser gesorgt hat. Auch im Nationalpark hat
er so einige Bäume umgerissen und Wege zerstört, aber immerhin keine Leben
genommen. Der Weg führte uns durch die erste Biosphäre des Nationalparks: dem
Wald. Ein an für sich wunderschöner Wald, aber nicht sehr viel anders, als die
anderen Wälder, die ich in Uganda bisher gesehen habe. Grade nachdem Jourdan
und ich (unsere Gruppe hat sich ziemlich schnell aufgeteilt) uns darüber
unterhielten, dass der Weg nicht mal ansatzweise so steil sei, wie wir
angenommen hatten, wurde er natürlich steil. Und blieb auch steil, bis wir um
halb1 das Mittagsessenshüttchen auf 2.240 m erreichten. Nach kurzer Zeit kam
auch Rehema an und wir nahmen das Mittagessen zu uns, das eine ziemliche
Enttäuschung war. Gut, dass wir viel zu viele Snacks eingepackt hatten. Nach
einer Stunde des Wartens wurde uns berichtet, dass Nick sehr nah sei. Also
warteten wir weiter. Rehema machte sich einen Spaß daraus, mir zu versichern,
dass in der „Latrine“ (war eher ein Loch, das in die Erde gebuddelt war) eine
Schlange sei. Unser Guide Sam machte dem irgendwann ein Ende, als er uns
erzählte, dass auf dieser Höhe gar keine Schlangen leben würden, woraufhin ich
völlig angstfrei die Latrine benutzen konnte. Das ganze Warten war interessant,
weil wir erst dabei bemerkten, wie viele Porter mit uns mitgekommen waren. Nach
und nach passierten insgesamt über 60 (!!!) von ihnen und wir hatten schon ein
ziemlich schlechtes Gewissen, sowie Unverständnis dafür, dass man für 4 Leute
ganze 60 Träger braucht (so viel essen wir ja nun auch nicht), bis Sam uns
erzählte, dass viele von ihnen Materialien für Renovierungen in die Nähe des
dritten Camps bringen würden. Ich war und bin übrigens total beeindruckt von
den Trägern. In Situationen, in denen ich mich schweißnass mit meinem 5
kg-Rucksack mit Händen und Füßen einen Berg hochzerrte, liefen die Porter relativ
fit aussehend mit über 20 kg auf ihren Rücken an uns vorbei. Nunja, nach einer
weiteren Stunde des Wartens beschlossen wir um 14.40 Uhr einfach
weiterzuwandern und Nick dann abends im Basecamp zu treffen. Vom Lunch Spot zum
Basecamp war es nicht besonders weit, lediglich 40 Minuten, aber diese 40
Minuten hatten es in sich! Zunächst ging es bergab bis zum Fluss, durch den wir
dann zum anderen Ufer wateten, von wo es dermaßen steil bergauf ging, dass
meine Beine anfingen zu brennen und ich mich an jedem Baum neben dem Weg
festklammern musste, um nicht wieder runterzufallen. Tatsächlich war das für
mich der anstrengendste Moment in den ersten fünf Tagen. Aber auch die
schlimmsten 40 Minuten gehen vorbei und wir erreichten unser Basecamp (2.596
m), das ausgesprochen schön war. Eine kleine rote Hütte, mitten im Wald auf
einem Bergausläufer, an dem auf beiden Seiten Flüsse vorbeiführten und in
unmittelbarer Nähe war ein Wasserfall. Die Hütte war sogar mit richtigen Betten
und Matratzen ausgestattet – einen Luxus, den wir nicht erwartet hatten, den es
aber in jedem Camp gab. Während wir uns an Tee und Keksen erfreuten, erreichte
uns die Nachricht, dass Nick es nicht bis zu unserem Camp schaffen würde und
beschlossen habe, beim Lunch Spot zu schlafen und am nächsten Tag umzudrehen.
Da uns das ein wenig merkwürdig vorkam, beschlossen Rehema und Jourdan
zurückzugehen und nach ihm zu schauen, ich war zu kaputt. Als die beiden nach 1
½ zurückkamen bestätigten sie zwar, dass Nick es nicht mehr bis zum Camp
schaffen würde, aber die Guides eine neue Route für ihn zurechtgeschneidert
hätten, laut der er für 4 oder 5 Tage wandern, aber kürzere Strecken pro Tag
zurücklegen würde. Nach einem leckeren Abendessen, lustigen Gesprächen und
einem allgemeinen Kältegefühl ging es schon gegen neun Uhr ins Bett.
Nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht, mussten wir
uns dann um halb7 aus den warmen Schlafsäcken quälen. Mir wurde bei dem
Gedanken, dass mir schon im ersten Camp so kalt ist, ein wenig flau. Deshalb
wurde der Gedanke schnell weggeschoben und stattdessen konzentriere ich mich
lieber auf das Pancake-Frühstück, bevor es um etwa 9 losging. Kurz führte uns
der wieder ziemlich steile Weg noch durch den Wald, bevor wir nach einer halben
Stunde die Bambuszone erreichten. Super schön! Und ganz nebenbei war der Bambus
eine super Kletter- und Hochziehhilfe, was uns wünschen ließ, mehr Armtraining
gemacht zu haben. Leider ist diese Zone jedoch nicht besonders groß, sodass wir
schon um 10 Uhr die nächste Zone erreichten: die Heather-Zone, die ihren Namen den
gleichnamigen Bäumen zu verdanken hat, die sich dort befinden. Ein üppiger Wald
voller Farn, Moos und Bartflechten, dessen Grüntöne einen wunderschönen
Kontrast zu dem aufziehenden Nebel bildeten. Auch wurde der Weg hier ein wenig
flacher, bis wir um 11 Uhr Basecamp 2 erreichten (3147 m), was eine andere
Übernachtungsmöglichkeit für die erste Nacht ist. Ein wunderschönes Plätzchen
auf der Spitze eines Berges, von wo man für gewöhnlich einen tollen Blick auf
Kilembe, Kasese und den Queen Elizabeth Nationalpark haben soll, der uns jedoch
aufgrund des Nebels verwehrt blieb. Dort haben wir dann auf Rehema gewartet und
sind nach einer Stunde weitergewandert. Eine Minute nach Aufbruch bin ich dann
auch prompt in ein Flüsschen gefallen, aber alles halb so schlimm, sonst hätte
mich der Schweiß früher oder später genauso getränkt. Die nächste Stunde war von
ständigen Landschaftsbildwechseln geprägt. Mal durch dichten Wald, mal recht
steil, mal recht waagerecht, dafür aber neben einem „Abgrund“ (zumindest ließ
der dichte Nebel es wie einen Abgrund erscheinen), mal wurde an „natürlichen Leitern“,
die sich durch verdrehte Wurzeln gebildet haben, nach oben geklettert, mal sind
wir von Stein zu Stein durch Flüsse gesprungen, mal in Tälern, die mit ihren
obskuren Pflanzen an ferne Planeten erinnerten, bis wir dann um 1 Uhr unsere
Picknickstelle unter einem großen Steinvorsprung erreichten. Als Rehema nach
einer halben Stunde ankam, betitelte sie die Wanderung als „total madness“,
bevor wir alle gemeinsam unsere Käsesandwichs genossen. Nach dieser kleinen
Pause standen uns noch etwa 2 Stunden des Wanderns bevor, die sich im
Allgemeinen gut mit „mudventure“ betiteln lassen, da es unglaublich matschig
wurde. Während wir auf Steinen und Stöcken balancierten, wünschten wir uns nicht
mehr, mehr Armtraining gemacht zu haben, sondern viel eher unsere
Blancierfähigkeit trainiert zu haben. Dass wir aus irgendwelchen Gründen
durchgehend lachten, hat es nicht einfacher gemacht. Nach circa 30 Minuten
veränderte sich das Szenario wieder komplett, da vor etwa einem Jahr ein großes
Feuer im Nationalpark gewütet hat. Es war trotzdem merkwürdig schön, die ganzen
halbtoten Bäume mit den langsam neu wachsenden Pflanzen neben ihnen hatten was.
Nachdem wir einem weiteren momentan ausgetrockneten Flusslauf (Trockenzeit)
durch ein Tal gefolgt waren, erreichten wir Camp 2 (3688 m) um viertel nach 3,
das unter einem riesigen Steinvorsprung mit Blick auf die sich auf der anderen Seite
des Tals befindenden Berge liegt. An diesem Nachmittag/Abend entwickelten wir
dann auch unsere Lebensstrategie für die nächsten Tage: heißer Tee, sobald man
im Camp ankommt, sowie ein schneller Wechsel in trockene Klamotten (BEVOR man abkühlt)
und dann sitzt man solange man kann entweder neben dem Stove oder – wenn vorhanden
– neben dem Feuer und resümiert dort die lustigen Ereignisse des Tages und
schreibt ein gemeinsames Tagebuch, bevor man in den Schlafsack schlüpft. Obwohl
es auch im Schlafsack nie richtig warm wird.
Unser Tag Nr. 3 begann um 7 Uhr morgens damit, dass wir uns
unsere Thermounterwäsche anzogen, da es laut Guides ziemlich kalt werden würde,
die wir bis zum Ende des Trips auch nicht mehr ausziehen würden. Dann wuschen
wir uns zum ersten Mal die Haare, frühstückten und um halb9 ging’s recht
euphorisch los, da der dritte Tag der leichteste sein soll. Am nächsten Fluss
haben wir erst mal unsere Camelbacks und Wasserflaschen aufgefüllt – mit gelben
Wasser, interessant! Hat aber trotzdem geschmeckt. Dann ging es relativ steil und
matschig bergauf, raus aus dem Tal, raus aus der Heatherzone, rein in die
alpine Zone. Die war dann angenehm „flach“, wunderschön und voller Everlasting
Flowers. Hier haben wir uns dann richtig über den ganzen Matsch gefreut, weil
es den ansonsten wirklich sehr leichten Tag wenigstens ein bisschen
anspruchsvoller gemacht hat. Zusätzlich hatten wir sogar richtig Glück mit dem
Wetter und die Sonne schien durchgehend. Nun kann ich euch leider gar nicht
sagen, ob es den Alpen ähnelt, da ich noch nie eine längere Zeit in den Alpen
verbracht habe. Wir haben uns auf dem Weg mit unserem Guide Sam über ehemalige
Rwenzori-Bergsteiger ausgetauscht, von dickköpfigen Deutschen und lustigen
Italienern gehört. Dann waren wir tatsächlich – nach einem letzten Anstieg –
schon um 12 Uhr im Camp 3, das auf 4062 m liegt. Wunderwunderschön! Einerseits
ein fantastischer Ausblick auf unter anderem einen See und auch das Camp hat
echt was hergemacht! Und selbst das Mittagsessen war fantastisch, da uns
Schwarzbrot, Käse, Nutella und Äpfel serviert wurden. Wir saßen dann im Grunde
genommen den ganzen Tag draußen im Windschatten und haben die Sonne genossen
(endlich war uns mal warm!), große Mengen an Wasser und Tee getrunken und
Karten gespielt. Trotz des ganzen Wassers hatte ich am Abend ziemliche
Kopfschmerzen und hatte Angst höhenkrank zu sein, aber vermutlich war es nur
die ganze Sonne, denn am nächsten Tag ging es mir schon sehr viel besser. Als
es dunkel wurde mussten wir leider die wahre Kälte des Camps erfahren und auch
die warme Luft in unserem Luxuszelt wich viel zu schnell der kalten Nachtluft.
Nach einem leckeren Pasta-Abendessen ging es schon um 8 Uhr ins Bett.
Als Ausgleich zu dem doch recht entspannten dritten Tag,
sollte der vierte Tag um einiges anspruchsvoller werden. Um 8 Uhr ging es los
und fing gleich mit einem echt anstrengenden Aufstieg an, obwohl dieser danach
mit einem wunderschönen Blick über ein paar Seen und die Berge belohnt wurde.
Dann ging es weiter bergauf – auch wenn nicht mehr ganz so steil – durch eine
Landschaft geprägt von den Everlasting Flowers und Giant groundsels (die uns
bis fast ganz bis zum Schluss begleiten sollten), bis zur Spitze des „Bamwanjara
Pass“ (4450 m). All dies übrigens wieder in einem magisch anmutenden Nebel, der
die Landschaft für mich immer wie Filmkulissen für Filme wie „Herr der Ringe“
aussehen ließ. Anstatt dann langsam wieder bergab zu gehen (unsere nächste
Nacht sollte auf 3974 m stattfinden), ging es steil bergab auf geschätzte 3700
m. Da haben wir angefangen uns ein wenig vor dem Rückweg zu fürchten, im
Bergaufgehen sind wir einfach besser. Nach dieser Tortur waren wir also umso
froher, dass sie auf einem wunderschönen Plateau endete, auf dem wir mal wieder
unsere Wasservorräte an einem Bachlauf aufstocken konnten. Außerdem war die
Vegetation auch gleich wieder viel üppiger und nach einer kurzen Zeit erreichten
wir einen See, an dessen Ufern wir erst von Stein zu Stein hüpften (wobei wir
feststellen mussten, dass die versteckten Löcher zwischen den Steinen und meine
Füße/Beine eine magische Anziehungskraft zu haben schienen), bis wir einen
besonders schönen Stein zum Mittagessen fanden. Nach einem leckeren Käsesandwich,
Bananen und Äpfeln, sowie ziemlich viel Rumgealbere, denn Spaß hatten wir
wirklich durchgehend, ging es um halb1 weiter. Ein bisschen mehr Steingehopse,
dann ging es wieder etwas steiler bergauf, dann bergab. Bergauf schick,
sportlich und grazil, bergab rutschend und elefantenartig. Eine letzte
nebelverhangene und matschige Ebene, die mal wieder an einen fernen Planeten
erinnerte, ein letzter Aufstieg und voilà, da lag es vor uns: Camp 5, ebenso
hübsch wie Camp 4 und als der Nebel kurz verschwand konnten wir sogar einen
ersten Blick auf die Gletscher erhaschen. Mal wieder waren wir viel zu früh und
schon um viertel nach 2 im Camp. Sam war übrigens immer wieder beeindruckt von
unserem Tempo und wir dachten immer: „Na warte, deine Bewunderung wird auf dem
Rückweg schnell der Verzweiflung weichen.“ Nach Ankunft gab es wieder den
obligatorischen Tee und das obligatorische Matatu-Kartenspiel, bevor wir uns am
Feuer sammelten und zu Abend aßen. Nach diesem Tag konnte ich übrigens gut
verstehen, warum Wanderer die Rwenzoris auch als Achterbahn bezeichnen.
Am nächsten Morgen beschloss Rehema leider nicht
weiterzugehen. Hauptsächlich wohl wegen der Kälte. Wen wundert’s, wenn ich mein
ganzes Leben in Ostafrika verbracht hätte, wäre ich auch ziemlich gestorben –
bin ich ja so auch schon fast. Nachdem alles geklärt war sind wir also nur noch
mit 50 % unserer Ausgangsgruppe losgetigert. Nach nur wenigen Minuten sind wir
(mal wieder) über einen Fluss gesprungen, das Neue daran war, dass der Fluss
die Grenze zum Congo bildete. Das fanden wir ziemlich cool, auch wenn es auf
der anderen Seite genauso aussah, nur dass der Fluss nun rechts von uns lag.
Außerdem sind wir nach wenigen Minuten wieder nach Uganda gehopst. Die
Landschaft war auch weiterhin toll und die Vegetation vielseitig, es ging
vorbei an zwei Seen und einigen Flüssen, wobei die Laune eher gedrückt war,
weil es Jourdan nicht besonders gut ging. Wir schoben es mal wieder auf
Anzeichen der Höhenkrankheit, nachdem sie aber ein Snack zu sich nahm, ging es
ihr eindeutig besser. Ein weiteres Mal von der Höhenkrankheit verschont. Beim
Weiterwandern wurde die Vegetation immer karger und beschränkte sich
schließlich nur noch auf unsere beiden Freunde, die Everlasting Flowers und
Giant groundsels, während es immer steiniger um uns herum wurde. Die
Farbkombination von den Pflanzen, den Steinen und dem Nebel habe ich mal wieder
geliebt und fleißig Fotos gemacht. Außerdem war Fotos machen für mich immer
eine herrliche Ausrede um kurze Pausen einzulegen. Während wir uns, inzwischen
wegen der dünnen Luft doch langsamer werdend, einen steinigen Pfad
hinaufschoben, ragten rechts und links von uns riesige Felswände in die Höhe. Nach
und nach verschwanden sogar die Giant groundsels aus der Landschaft und es
wurde echt eiskalt und immer immer steiniger. Das war also die nächste Zone:
die Rockzone. Die fanden wir ziemlich toll, weil wir dort wieder von Stein zu
Stein hüpfen konnten. Im Allgemeinen schienen wir die abenteuerlicheren Pfade
den normalen Pfaden eindeutig vorzuziehen. Während des letzten Anstiegs ging
mir auf einmal jegliche Energie verloren und ich war froh, die von Mama
geschickten Dextro Energys in meiner Tasche zu haben, mit denen ich es dann auch
noch bis zum Camp 5 geschafft habe, das auf 4485 m liegt. In diesem Fall war es
wirklich doof, dass wir schon so früh da waren (halb1), da es da oben echt kalt
war und es kein richtiges Feuer gab, an dem wir unsere Klamotten trocknen und
uns aufwärmen hätten können. Stattdessen gab es nur die kleinen Stoves in dem
Zelt von den Guides und Trägern, wo wir dann praktisch den ganzen restlichen
Tag saßen und wo wir noch nicht mal genug Platz hatten um Karten zu spielen. Am
Nachmittag konnten wir einen kurzen Blick auf die nun auf einmal sehr nahen und
beeindruckenden Gletscher erhaschen, was uns ein bisschen Panik einjagte. Vor allem
Jourdan fing auf einmal an sich ziemlich Sorgen zu machen, ich bin eher
unbedarft an die ganze Sache rangegangen. Nach dem Abendessen und ein paar
letzten Informationen bezüglich des Aufstiegs am nächsten Tag ging es sehr früh
ins Bett, wo wir noch eine Weile quatschten, bevor wir endgültig einschliefen.
Übrigens schliefen wir in unserer vollen Montur für den nächsten Tag, um uns in
der nächtlichen Kälte nicht nochmal umziehen zu müssen.
Der große Tag fing um 3 Uhr morgens an. Auch wenn uns nicht
so richtig zu Essen zu Mute war, zwangen wir das Spanish Omlett irgendwie in den
Margen, bevor uns unsere Klettergurte angelegt wurden. Natürlich stellten wir
in genau dem Moment fest, dass wir eigentlich noch mal auf Klo gehen sollten,
also mussten die Klettergurte noch mal ab. Um 4 Uhr ging es los. Natürlich war
es noch stockdunkel und unsere eigentlich sehr guten Kopflampen konnten uns bei
dem Nebel auch nicht so sehr weiterhelfen, also war es ein ziemlicher Akt die
Stunde bis zur Schneegrenze über die Steine zu krakseln. Außerdem wurden die
Steine immer rutschiger, die Pfützen an denen wir vorbeikamen waren ab einem
gewissen Punkt zugefroren und selbst die Everlasting Flowers waren nicht mehr
zu finden, während wir uns teilweise an fest installierten Seilen an den
Steinen entlangarbeiteten. Durch die Dunkelheit wurde es echt gruselig, weil
wir dachten, dass neben uns Abgründe seien (auf dem Rückweg mussten wir
feststellen, dass wir an keiner Stelle tiefer als 2 Meter gefallen wären). Nachdem
dieser erste Teil gemeistert war erreichten wir die Schneegrenze, seilten uns
aneinander, befestigten Steigeisen an unseren Schuhen und erhielten eine
Erklärung zu der richtigen Benutzung der Eispicken. Und dann ging es auch schon
auf den ersten Gletscher! Am Anfang kam mir das ganz schön leicht vor, was wohl
daran lag, dass es einerseits nicht sonderlich steil war und andererseits meine
Gangart vollkommen falsch war. Während Jourdan – wie angewiesen – ihre Füße bei
jedem Schritt mit voller Kraft in den Schnee/Eis gerammt hat, bin ich eher
fröhlich und unbedarft über den Gletscher marschiert und hab Jourdan an dem
Seil hinter mir hergezogen, was ganz schön anstrengend für sie wurde. Nach
einer Weile musste ich dann aber ihren Laufstil übernehmen, als es an einer
ziemlich steilen und ziemlich vereisten Steigung entlangging, wo Jourdan eine
kleine Panikattacke hatte, weil es hier tatsächlich sehr nach Abgrund
unmittelbar neben uns aussah und selbst die Steigeisen an dieser Stelle nicht
viel Halt gaben. Nach etwa einer Stunde auf dem ersten Gletscher erreichten wir
um viertel vor 7 wieder ein Gebiet mit riesigen Steinen. Nachdem wir uns
anfänglich darüber gefreut hatten, mussten wir bald feststellen, dass die
mindestens so anstrengend waren wie der Gletscher, weil wir alle noch
aneinander geseilt waren und die Steine unglaublich rutschig waren. Anstatt der
von den Guides vorausgesagten halben Stunde in diesem Bereich verbrachten wir
dort über eine Stunde, aber immerhin wurde es hell und wir konnten unsere
Lampen ausschalten. Trotzdem war das Geklettere/Gerutschte/Gefalle unglaublich
anstrengend und als wir den zweiten Gletscher erreichten, nahmen wir ein paar
Snacks zu uns, bevor die Steigeisen wieder an die Schuhe montiert wurden und es
losging, den Endgegner zu besiegen. Der zweite Gletscher war eindeutig herausfordernder
als der erste, es ging im Schneckentempo und im Zickzack nach oben, obwohl man
dieses „oben“ auf Grund der Wolken noch nicht mal sehen konnte. Ich habe mich
gefühlt wie auf einer Polarexpedition, die Umgebung war einfach unglaublich,
aber trotzdem gingen nach und nach meine Kräfte verloren. Ich hatte wirklich zu
kämpfen und musste regelmäßig stoppen, während Jourdan mich immer wieder
versuchte zu motivieren, was sie auch ganz gut geschafft hat (unter anderem mit
dem Versprechen auf der Spitze Schokolade mit mir zu essen). Auch war es noch
mal sehr motivierend, als es sich kurz aufklärte und ich die Spitze sehen
konnte („Aha, soweit ist es also noch!“), aber trotzdem dachte ich durchgehend
sowas wie: „Mein Gott, warum tu ich das grade meinem Körper an, nur um ein
bescheuertes Foto vor einem bescheuerten Blechschild zu machen!“ Nach circa 1 ½
Stunden hatten wir es zwar noch nicht ganz geschafft, aber immerhin aus dem
Gröbsten waren wir raus, da wir den Gletscher verlassen konnten und nun nur
noch etwa eine halbe Stunde steil bergauf klettern mussten. Das war zwar wieder
über Steine, aber die Klettereisen mussten wir trotzdem anlassen, da die Steine
vereist waren. Also ging es, langsam aber sicher und mit zusammengebissenen
Zähnen, der Spitze entgegen, die wir um 10 Uhr dann auch endlich erreichten! Margherita Peak, höchster Peak des ganzen Rwenzori Gebirges, 5109 m hoch. Da
oben war es arschkalt, windig und steinig, und obwohl wir uns gegenseitig die
Enttäuschung ansahen, haben wir unsere schauspielerischen Talente aus dem Ärmel
geschüttelt und absolute Freude vorgespielt. Auch war es noch wolkig, also
konnten wir immer nur kurze Blicke auf die Berge erhaschen. Fotos wurden
geschossen, es wurde die versprochene Schokolade gegessen, die eine große
Enttäuschung war, weil die Schokolade genauso gefroren war, wie unser Wasser.
Dann sind wir noch einmal kurz auf die andere Seite des Blechschilds gegangen, standen
dort ein paar Minuten in der DR Congo und waren uns einig, dass es dort
eindeutig wärmer war, als in Uganda, bevor wir uns nach nur 15 Minuten auf der
Spitze an den Abstieg machten. Der Abstieg war eindeutig leichter als der
Aufstieg und auch eindeutig schneller, da wir nicht mehr im Zickzack gehen
mussten sondern einfach geradeaus runter pesen konnten. Die Sonne kam endlich
raus und alles schien großartig, bis mein rechtes Bein auf einmal im Gletscher
verschwand. Zum Glück blieb es nur bei meinem Bein. Trotzdem wurde ich danach
ein wenig panisch und habe mein Tempo eindeutig angezogen, sehr zum Unglück
Jourdans, die immer noch versuchte ihre Füße so fest wie möglich in den Boden
zu rammen. Es dauerte insgesamt nur eine Stunde, um von der Spitze bis zum Ende
des zweiten Gletschers zu kommen, wo die ganzen Steine wieder auf uns warteten.
Selbst die Steine waren nun in der Sonne um einiges einfacher, da die Sonne sie
getrocknet hatte und sie nun nicht mehr rutschig waren. Also wurde selbst
dieser Teil in kurzer Zeit gemeistert, bis wir den ersten Gletscher erreichten.
Meine Energie war zwar eindeutig nicht mehr vorhanden, aber einfach auf den Steinen
sitzen bleiben konnte ich ja auch nicht. Also ging es auf den ersten Gletscher,
auf dem ich aufgrund von Müdigkeit und Unachtsamkeit zwar ein paar Mal hinfiel
und unser einer Guide mir ziemlich Angst machte, nachdem der Gletscher ein paar
komische Geräusche von sich gegeben hatte und er sagte, dass wir uns besser
beeilen sollten, den wir aber trotzdem relativ zügig hinter uns gebracht haben.
Dabei hatten wir übrigens immer wieder großartige Ausblicke auf die ganzen
Berge. Uns stand also nur noch die andere Steinstrecke bevor, die mir aufgrund
von extremen Kopfschmerzen (ich muss ziemlich dehydriert gewesen sein, da unser
Wasser ja gefroren war) ziemlich lang vorkam, aber die um viertel vor 1 endlich
ein Ende nahm. In Camp 5 angekommen haben wir eine wahnsinnig lange Zeit damit
verbracht, die verschiedensten und komischsten Dinge zu essen. Danach ging es
mir aber eindeutig besser. Das Ausruhen war jedoch nur von kurzer Dauer, da es
um halb3 wieder losging: zurück zu Camp 4. Jourdan und ich sind einfach ziemlich
schnell bergab gelaufen und haben nicht gestoppt, um in einen zombieartigen
Zustand zu verfallen, in dem wir einfach ein Fuß vor den anderen gesetzt haben,
was auch ganz gut geklappt hat. So waren wir schon um halb5 in Camp 4, wo wir
nach einem interessanten Abendessen und Popcorn ziemlich tot und früh ins Bett
gefallen sind. Was für ein extremer und toller Tag!
Der 7. Tag war der einzige Tag, an dem wir ernsthaft
Probleme hatten, aus dem Bett zu kommen. Uns fehlte die Motivation, schließlich
hatten wir es bis zur Spitze geschafft und würden ab nun einfach bergab gehen,
ohne an dem Tag bis nach Hause zu kommen. Also war unser Morgen ziemlich
langsam. Jourdan schluckte ein paar Pillen gegen ihre Knieschmerzen, wir haben
unsere Blasen behandelt, Cremes aufgetragen,… dann gefrühstückt, uns zum
zweiten Mal die Haare gewaschen und noch eine Weile am Feuer gesessen. Gegen 8
ging es aber doch los und wenigstens hatten wir ein paar wirklich tolle
Ausblicke, die uns auf dem Hinweg durch den Nebel nicht vergönnt waren. Die
ersten 1 ½ Stunden waren auch echt okay, die Landschaft atemberaubend wie immer,
dann kam jedoch der super steile Anstieg auf den Bamwanjara Pass, den wir nur
mit Mühe und Not schafften. Von dort konnten wir einen Blick auf die nun doch
sehr fernen Gletscher werfen und ich war beeindruckt von der Tatsache, dass wir
noch nicht einmal 24 Stunden zuvor auf der Spitze standen. Außerdem konnten wir
die fast ausgestorbene Spezies der Muzungus mit Kompotthüten bewundern und waren
sehr beeindruckt von ihnen. Scheint aber eine nette Spezies zu sein, da sie uns
Schokolade angeboten haben. Die nächsten zwei Stunden bis zu Camp 3 waren sehr
entspannt, auch wenn wir immer wieder im Matsch ausrutschten, weil wir ziemlich
zügig gingen. Um halb1 kamen wir im Camp 3 an (übrigens unser Lieblingscamp),
wo wir zu Mittag aßen und Tee tranken. Nach einer Weile ging es weiter,
eigentlich dem recht einfachen Weg von Tag 3 folgend, der in unserem müden und
kaputten Zustand aber doch sehr viel anstrengender wurde. Außerdem sind wir
echt schnell gegangen, was ich ein wenig doof fand, da man dadurch die
Landschaft nicht mehr so richtig genießen konnte. Aber das Tempo war notwendig,
da kurz zuvor die Pläne geändert wurden: wir würden nicht nur bis zum Camp 2,
sondern sogar bis zum Basecamp 2 gehen. Irgendwo zwischen diesen beiden Camps
trafen wir den Besitzer des Trekking Services, ein sehr netter Australier, der
viel zu erzählen hatte. Er ist zwei Tage zuvor mit einer Filmcrew in die Berge
gekommen, die versuchen, den einzigartigen schwarzen Leoparden zu erwischen.
Nach ein paar weiteren Stunden des Gehens, ein paar wirklich schönen Szenarien,
die ohne den ganzen Nebel sehr anders aussahen, einem Fall von Jourdan in einen
Fluss und anderen Zwischenfällen sind wir gegen 6 Uhr im Basecamp 2 angekommen.
Dieses Mal konnten wir sogar Kasese und Kilembe sehen, was vor allem nach
Einbruch der Dunkelheit echt schön war. Nach einem weiteren sehr interessanten
Abendessen (an den letzten beiden Abenden haben sie einfach das noch vorhandene
Essen wild durcheinandergemischt, was zu Kombinationen wie Kartoffeln, Nudeln
und G-Nut-Sauce führte), ging es wieder relativ früh ins Bett. Nach diesem
langen Tag waren wir sogar zu müde, um noch lange Rumzuscherzen und zu
Quatschen.
Da war er also, der letzte Tag. So langsam freuten wir uns
echt auf unsere eigenen Betten, eine Dusche und dem allgemeinen Gefühl der
Wärme. Deshalb waren wir ziemlich froh, am Tag zuvor so lange gegangen zu sein,
weil das den Tagesmarsch für den achten Tag sehr viel kürzer machte. Also
verließen wir unser Camp in der Heatherzone, gingen steil bergab in der
Bambuszone, gelangten in die Waldzone, passierten unser Camp der ersten Nacht,
rutschten die Steigung bergab, mit der ich am ersten Tag so zu kämpfen hatte,
überquerten den Fluss, sagten Tschüss zu unserem Lunchspot vom ersten Tag und
waren schon um halb11 am Ausgang des Nationalparks. Dort haben wir eine kurze
Pause eingelegt, ein Chamäleon entdeckt und gesnackt, bevor es auf die
Endgerade zurück nach Kilembe ging. Ich habe mich noch nie so sehr über den
Blick auf Kilembe gefreut! Um halb12 hatten wir es endlich geschafft und waren
zurück im Backpackers. Glücklich, stolz, kaputt. Natürlich gab es sofort zwei
Bier für jeden, was auch sonst? ;-)
Insgesamt war diese 8-Tages-Wanderung einer der tollsten
Sachen, die ich in meinem ganzen Leben gemacht habe. Die Landschaft war einfach
unbeschreiblich schön, unmöglich, auf Fotos vernünftig festzuhalten. Ich habe
es trotzdem versucht, das Resultat könnt ihr euch
hier angucken.
Ich hätte nie gedacht, dass ich 6 von 8 Tagen in
Gummistiefeln laufen würde; dass der Rückweg so sehr viel anstrengender sein
würde als der Hinweg; dass ich mich jemals so auf eine Dusche freuen könnte;
dass man auf einer Wanderung soooo viel Spaß haben kann; dass der größte Gegner
die Kälte sein würde,… Es war einfach toll! :)
Hier noch mal die Wanderung in Zahlen:
Day One:
Kilembe Town to Basecamp One (Sine Hut)
Elevation Gain: 1,450m - 2,596m
11.8km
Day Two:
Basecamp One (Sine Hut) to Camp Two (Mutinda Camp)
Elevation Gain: 2,596m - 3.925m
7.2 km
Day Three:
Camp Two (Mutinda Camp) to Camp Three (Bugata Camp)
Elevation Gain: 3,688m - 4,062m
4.9 km
Day Four:
Camp Three (Bugata Camp) to Camp Four (Batawu Camp)
Elevation Gain: 4,062m- 4,450m (Bamwanjara Pass)- 3,974m
6.2 km
Day Five:
Camp Four (Batwau Camp) to Camp Five (Margherita Camp)
Elevation Gain: 3,974m - 4,485m
4.2 km
Day Six:
Camp Five (Margherita Camp) to Summit to Camp Four (Batawu Camp)
Elevation Gain: 4.485m - 5,109m (Summit)- 3,974m
11.2km
Day Seven:
Camp Four (Batawu Camp) to Basecamp Two (Kalalama Camp)
Elevation Loss: 3,974m - 3,147m
16.9km
Day Eight:
Basecamp Two (Kalalama Camp) to Home!
Elevation Loss: 3,147m -1,450m
13.1 km