Am vergangenen Mittwoch fragte mich Alice, ob ich nicht am
Freitag mit ihr nach Rwanda kommen möchte – sie müsse sowieso dorthin, um ihr
Visa zu erneuern und würde deshalb die Kosten für Auto und Fahrer übernehmen.
Da wäre ich doch doof gewesen, wäre ich nicht mitgekommen!
Tag 1 – Freitag der 23. November
Die Autofahrt war lang, aber eindrucksreich. Um 11 Uhr ging
es los, gewappnet mit Unmengen an Essen (Nick hat uns ein wenig Schokolade
mitgegeben, Alice hat für Pingels gesorgt und ich habe am Abend zuvor noch
Candied G-Nuts zubereitet). Zunächst einmal ging es durch die schon viel zu
bekannte Landschaft des Queen Elizabeth Nationalsparks und durch Berge bis nach
Isahaka, ab dort wurde es dann interessant, weil wir die altbekannte Route verließen
und nicht weiter in Richtung Mbarara fuhren, sondern in Richtung Norden abbogen
– eine Abkürzung, die diesen Namen auf Grund der Straßenqualität auch echt
verdient! Das Landschaftsbild änderte sich ständig: in manchen Gebieten
erinnert mich Uganda absurderweise an Schweden – man müsste nur die Matooke-
und Eukalyptusbäume durch Nadelbäume austauschen und die Lehmhütten durch rote Holzhütten. Beim Weiterfahren kamen
wir dann aber auf einmal durch wahnsinnige Mengen an Papyrus und noch weiter
nördlich ist die Landschaft immer weniger landwirtschaftlich geprägt, die
Spitzen der Berge sind leer und kahl, es wird lediglich vereinzelt Matooke
angebaut und ziemlich viele Kühe spazieren durch die Gegend. Mir erschien es
immer westlicher; man sieht mehr hübsche Häuser und mehr EU-gesponserte
Schulen. Schon alleine durch die andere Landschaft setzte also das Gefühl von
Urlaub ein und wir fuhren grinsend weiter. Gegen vier Uhr nachmittags kamen wir
in Kabale an, eine Stadt sehr nah der Grenze, und gönnten uns dort nach circa 5
½ Stunden Fahrt unsere erste Pause – versüßt mit einem Passionfruit Juice. Nach
einer weiteren halben Stunde erreichten wir die Grenze, Alice und ich kamen
ziemlich schnell rüber (zwei Stempel in unseren Reisepässen reicher), jedoch mussten
wir recht lange auf William (unseren Fahrer) warten, der nicht nur sich selbst,
sondern auch das Auto über die Grenze bugsieren musste.
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Papyrus-Massen |
Folgende Sachen sind mir auf dem Weg nach Kigali
aufgefallen: die Felder sind viel systematischer und geplanter angelegt, die
Straßen sind super gut, die Boda-Fahrer tragen Helme und nehmen maximal eine
Person auf ihren Bodas mit, die Leute kleiden sich westlicher als in Kampala,
die Rush-Hour ist in Kigali genauso schlimm wie in Kampala (innerhalb von einer
Stunde ganze 50 Meter weitergekommen!).
In Kigali haben wir uns nachts gefühlt, als wären wir in
einer europäischen Stadt, an manchen Stellen ist es sogar schicker als jede
europäische Stadt die ich kenne! Nach 2 ½ Stunden Rumgurken in Kigali haben wir
es so gegen 10 dann aber endlich in unser Hostel geschafft, dem „Discover
Rwanda Youth Hostel“. Danach waren wir noch nebenan lecker chinesisch essen und
waren begeistert von der Freundlichkeit der Leute, die Bedienungen behandeln
einen wirklich zuvorkommend, das habe ich in Uganda noch nie so extrem erlebt.
Jedoch ist alles sehr viel teurer als in Uganda und das Französisch würde mich
irgendwann doch auch sehr nerven.
Um 11 sind wir endlich supermüde und vollgestopft mit Essen ins Bett gefallen
und waren gespannt darauf, wie Kigali wohl im Tageslicht aussehen würde!
Tag 2 – Samstag der 24. November
Unseren Samstag wollten wir eigentlich früh starten, um
möglichst viel von Kigali zu sehen, jedoch haben wir unsere Rechnung ohne die
Ruander gemacht, die immer am letzten Samstag im Monat den Umuganda-Tag haben.
Umuganda ist ein Gemeinschaftstag, an dem alle von 7 Uhr morgens bis 12 Uhr
mittags gemeinnützige Arbeit erledigen, weshalb dann alle Museen, Geschäfte,
Restaurants,… geschlossen sind. Eingeführt wurde der Umuganda-Tag übrigens nach
dem Genozid, um die Menschen wieder zusammenzubringen.
Anstatt also sofort zum Kigali Memorial Centre zu fahren, haben wir uns für den
Vormittag und Mittag in das berühmte Hotel des Mille Collines begeben, dort im
Pool geschwommen und sehr lecker zu Mittag gegessen. Hier kurz die Geschichte
zu dem Hotel:
„Das Hôtel des Mille Collines ist ein großes Hotel in
Kigali, das während des Völkermords in Ruanda 1994 mehr als tausend Menschen
Zuflucht und damit die Rettung vor dem sicheren Tod bot.
Die Geschichte des Hotels und seines damaligen Managers Paul
Rusesabagina wird in dem Film „Hotel Ruanda“ erzählt.
Die belgische Fluggesellschaft Sabena, der das Hotel damals
gehörte, flog den europäischen Manager des Hotels aus und setzte Rusesabagina,
den damaligen Manager des kleineren Hôtel des Diplomates als neuen Manager ein.
Gemeinsam mit seiner Frau gelang es ihm, mittels Geld und Ausschank von Alkohol
die völkermordenden Hutu-Interahamwe Milizen immer wieder davon abzuhalten, die
Bewohner des Hotels zu ermorden. Außerdem gelang es ihm, die Bewohner mit
Wasser – das man dem hoteleigenen Schwimmbecken entnahm, bis es leer war – und
mit Lebensmitteln zu versorgen.“
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Der Pool des Hotel des Mille Collines (und Teile Kigalis) |
Den Nachmittag haben wir komplett im Kigali Memorial Centre verbracht,
das sich mit dem Genozid beschäftigt. Ich denke, dass die meisten von euch mit
diesem Thema vertraut sind, dennoch hier eine Zusammenfassung der Geschehnisse
(auch wenn es mir sehr schwer fällt, diese kurz zu fassen):
Der Völkermord in Ruanda begann am 6. April 1994 und endete
im Juli des gleichen Jahres. In dieser kurzen Zeit wurden Schätzungen nach
zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen umgebracht. Die Vorgeschichte zu diesem
Morden ist lang und kompliziert und beginnt in der Kolonialzeit, in der
zunächst die Deutschen und dann die Belgier die Ruander in Hutu, Tutsi und Twa
kategorisierten. Diese unterschiedlichen Clan-Bezeichnungen hatten zwar auch
schon zuvor bestanden, jedoch waren sie recht locker auslegbar und sagten nicht
besonders viel aus, außer darüber, welchen Beruf man ausübte. Die Kolonialmächte
ordneten dann aber jede Person klar einer Gruppe zu (mehr als 10 Kühe: Tutsi,
weniger als 10 Kühe: Hutu) und trugen dies auch in die Personalausweise ein.
Die nächsten Jahre waren durch immer mehr politische Spannungen geprägt. Die Kolonialmächte
hatten zunächst den Tutsi die politischen Ämter übertragen, 1959 kam es dann
jedoch zu Massakern und 1961 kam schließlich Grégoire Kayibanda als Mitglied
einer Hutu-Partei an die Macht. Immer mehr Tutsi flohen aus dem Land, immer
mehr Propaganda gegen die Tutsi wurde verbreitet. Diese unterschwellige
Aggressivität gegenüber den Tutsi hielt an, bis am 6. April das Flugzeug mit
dem Präsidenten abgeschossen wurde – das war der Auslöser zum Morden. Die
internationale Gemeinschaft griff kaum bzw. gar nicht ein, der Begriff „Genozid“
wurde auf internationalen Debatten nicht verwendet, weil das die UN zum Eingreifen
verpflichtet hätte. Insgesamt wurden etwa 75 % der Tutsi umgebracht. Letztendlich
wurde der Völkermord durch die RPF (Rwandan Patriotic Front) beendet.
Der Besuch des Museums war auf jeden Fall interessant und
lohnenswert, wenn auch bedrückend. Zwar habe ich nicht wirklich neue
Informationen erhalten, da ich bereits eine Facharbeit über das Thema
geschrieben habe und demnach auch Bücher gelesen habe, jedoch hat das ganze
jetzt Gesichter bekommen. Es werden viele Einzelschicksale aufgegriffen, sowohl
von kleinen Helden, als auch von Leidtragenden. Außerdem gibt es viele (schockierende)
Fotos zu sehen und so traurig das ist, aber ich habe das Gefühl, dass unsere
Generation, die ja ständig und von klein auf schlimme Bilder im Fernsehen oder
Internet gesehen hat, oft solche Fotos braucht, um das Ausmaß und die
Grausamkeit überhaupt zu realisieren.
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Massengräber beim Kigali Memorial Centre |
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Das perfekte Reiseteam vor der Skyline des Zentrums Kigalis |
Das Thema halbwegs verdaut haben wir dann bei einem Bier und
äthiopischem Essen und noch viel darüber diskutiert, bevor wir uns am späteren
Abend dann zu einer Party meiner in Kigali positionierten
artefact-Mitfreiwilligen begeben haben.
Tag 3 – Sonntag der 25. November
Am Vormittag haben wir zwei Genozid-Gedenkstätten besucht,
beides Kirchen mit einer ähnlichen Geschichte. In beiden Kirchen haben Tutsi in
Scharen Zuflucht gesucht, in dem
Glauben, dass die Hutu sie an einem solchen Ort nicht angreifen würden; in
beide Kirchen haben die Hutu Bomben geworfen und jeden Überlebenden mit
Macheten getötet. In der Ntarama Church wurden etwa 500 Menschen getötet, in
der Nyamata Church etwa 2.500. In beiden Kirchen sind viele der Knochen und
Schädel, sowie die Klamotten, die von den Menschen getragen wurden,
ausgestellt. In den Schädeln stecken vereinzelt noch die Waffen, in vielen
sieht man die Schnitte der Macheten. In der Nyamata Church sieht man selbst an
der Decke noch Blutspritzer. Am schlimmsten fand ich jedoch in beiden Kirchen
jeweils eine Wand, die voll vom getrockneten Blut war; die Kinder/Babys wurden
getötet, indem sie immer wieder dagegen geschmettert wurden.
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Die Ntarama Church |
Nach dieser „leichten Vormittagsunterhaltung“ haben wir uns
dann auf den Rückweg nach Uganda gemacht. Ursprünglich hatten wir geplant die
restliche Zeit am Lake Kivu zu verbringen, jedoch schien uns das auf Grund der
Rebellen im Kongo, die dem Lake Kivu sehr nahe sind, doch ein bisschen
gefährlich. Also haben wir beschlossen, stattdessen an den Lake Bunyonyi zu
fahren.
Einige Autofahrstunden und eine erneut erfolgreiche
Grenzüberquerung später sind wir um 5 Uhr nachmittags am Lake Bunyonyi
angekommen. Da wir uns jedoch im „Byoona Amagara Island Retreat“ eingemietet
hatten und diese Anlage auf der Insel Itambira Island liegt, hatten wir noch
eine Stunde Kanufahrt vor uns, was aber wirklich ein Geschenk war, da die
Landschaft mehr als nur wunderschön ist! Der See ist gespickt von insgesamt 29
Inseln, manche kleiner, manche etwas größer, zum Teil sogar mit Schulen und
Kirchen, das alles umsäumt von zahlreichen Bergen. Die Kanus schnitzen die dort
lebenden Ugander aus Eukalyptus-Stämmen, wofür sie circa eine Woche brauchen;
halten tut so ein Kanu dann aber auch gute 7-8 Jahre!
Geschlafen haben wir in einem Geodome – eine Art Rundhütte,
die nach vorne offen und nicht schließbar ist, wodurch man vom Bett aus einen
herrlichen Ausblick auf den See hat.
Tag 4 – Montag der 26. November
Fast lohnt es sich nicht, über diesen Tag einen eigenen
Abschnitt zu schreiben, aber die Ordnung verlangt es wohl so. Getan haben wir am
Montag: nichts. Während wir am Vormittag in der Sonne lagen, gelesen haben und
uns dachten, dass wir den Nachmittag für alle möglichen Aktivitäten nutzen, lasen
wir am Nachmittag in unserem Hüttchen, hörten den Regen auf das Dach prasseln
und dachten uns, dass wir doch lieber den Vormittag für alle möglichen
Aktivitäten hätten nutzen sollen. Wir haben jedoch nicht nur gelesen, sondern
auch extrem viel gegessen, da Byoona Amagara wirklich herrliche (westliche)
Speisen anbietet! In den Nächten wurde es übrigens wirklich kalt! 3 Wolldecken
und lange Kleidung, das wäre in Kasese wirklich undenkbar!
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Ausblick von unserer Hütte |
Tag 5 – Dienstag der 27. November
Am Dienstag haben wir aus unserem Fehler des Vortrages
gelernt und waren morgens gleich nach dem Aufstehen Kanu fahren, obwohl wir
kläglich versagten und nur im Kreis paddelten. Unter Einheimischen ist der See
für die Muzungus, die sich im Kanu im Kreis drehen bekannt; so konnten wir uns
sicher sein, dass wenigstens unsere Zuschauer Spaß hatten, auch wenn wir schon
nach einer knappen Stunde aufgaben. Danach sind wir (nach einem kleinen
Frühstück) im See schwimmen gegangen, der zwar recht schmutzig, dafür aber Bilharziose-frei
und angenehm kühl ist. Gerade als wir aus dem Wasser kamen fing es wieder an zu
regnen, hielt an diesem Tag jedoch nur für kurze Zeit an, sodass wir am
Nachmittag noch eine kleine Wanderung unternehmen konnten. Und auch das Essen
war an diesem Tag genauso herrlich wie am Montag:) Zum Abschluss unserer Reise
haben wir uns am Abend dann den teuren Luxus einer Flasche Rotwein erlaubt und
ein letztes Mal den abendlichen Blick über den See genossen.
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Unser süßes Hüttchen :) |
Tag 6 – Mittwoch der 28. November
Tag der Rückfahrt. Schon traurig, hatten wir doch wirklich
eine feine Zeit zusammen! Aber alles hat wohl sein Ende, also haben wir uns Pfannkuchen
zum Frühstück gegönnt und sind dann (erneut mit dem Kanu) zum Bootsanleger zurückgefahren,
wo William schon auf uns gewartet hat. Dann habe ich festgestellt, dass ich das
erste Mal beraubt wurde, was mich sehr geärgert hat. Zwar handelte es sich
dabei nur um eine Tupper-Dose, die ich im Auto liegengelassen habe und die von
einem Autoputzer „mitgenommen“ wurde, jedoch ging es mir eher ums Prinzip (und
darum, dass man in Uganda nur Schrott-Dosen kaufen kann), weshalb ich dann
darauf bestanden habe, den Mann aufzusuchen. Der hat sie mir natürlich nicht
wiedergebeben – angeblich hielt er sie für Müll und hat sie weggeworfen, was
ziemlicher Quatsch ist, weil sie noch zur Hälfte mit G-Nuts gefüllt war. Aber
naja, besser eine Dose, als meine Kamera ;)
Ansonsten verlief die Rückfahrt recht ruhig, wenn auch regnerisch und dadurch
matschig. Um halb6 war ich dann wieder zu Hause und wurde mal wieder von einer
kleinen Pfütze in meinem Wohn-/Esszimmer begrüßt, was regelmäßig der Fall ist,
wenn es etwas stärker regnet. Trotzdem: Es ist immer wieder schön, „nach Hause“
zu kommen! :)